Pedro Laurenz – Orchesterleiter und Ausnahmebandoneonist  (1902 - 1972)

Als 1924 einer der Bandoneonisten das Orchester von Julio und Francisco de Caro verliess, mussten sie schnell einen Ersatz finden. Ein junger, wenig bekannter Bandoneonist namens Pedro Acosta wurde Julio de Caro vorgestellt. Dieser war begeistert, nachdem er ihn spielen gehört hatte, und heuerte ihn auf der Stelle an. 

Das bedeutete für den damals 22-Jährigen, dass er neben seinem Idol, der Berühmtheit, dem Starbandoneonisten Pedro Maffia spielen sollte. Natürlich war er nervös. Julio de Caro baute den offensichtlich etwas verschüchterten Jungen in ein paar Stunden auf, gab ihm Zuversicht  und schlug ihm einen neuen Künstlernamen vor – Pedro Laurenz. Der quasi neu erstandene Laurenz sagte zu.

Einige Tage später stellte er Pedro Laurenz dem Orchester vor. Der angesehene Kontrabassspieler Leopoldo Thomson musterte ihn von oben bis unten, Pedro Maffia machte sich nicht mal die Mühe, den Kopf zu drehen, während Francisco de Caro, der von den Fähigkeiten des neuen Bandoneonisten wusste, dem Geschehen von hinter dem Klavier mit einem Lächeln zusah. Maffia fing an, ohne ihn anzuschauen, sein Bandoneon zu spielen. Und konnte seine Bewunderung nicht verbergen, als Laurenz einsetzte und ihm mit grossem Können auf das Genaueste folgte. Als die letzten Töne verklungen waren, stand Pedro Maffia auf und umarmte, ohne ein Wort zu sagen, den verdutzten Laurenz.


‍ Pedro wurde 1902 in Buenos Aires geboren, in einer Zeit, als die Stadt mit dem Zustrom der Einwanderer sich rasch ausdehnte. Er wuchs in der Villa Crespo-Gegend auf mit den Coventillos und den sozialen Gegensätzen ihrer Einwanderer von Spaniern, Italiener, Juden, Arabern und anderen Immigranten aus dem Nahen Osten. Bereits früh lernte er Violine spielen. Sein Leben änderte sich, als sein Vater starb. Pedro war erst 14, als seine Mutter Rafaela mit ihm und seiner älteren Schwester nach Montevideo zog. Dort lernte er seine zwei älteren Halbbrüder Eustaquio und Felix aus der ersten Ehe seiner Mutter kennen. Beide spielten beruflich Bandoneon, und sie rieten Pedro, es statt mit der Violine mit dem Bandoneon zu versuchen. Von seinen beiden Brüdern lernte er die Grundlagen des Bandoneonspielens. Als er 20 war, spielte er mit seinem Bruder Eustaquio in Montevideo in einem Tango-Orchester zusammen mit den jungen Violinisten Edgardo Donato und Roberto Zerillo, die später berühmt werden sollten. Kurz danach zog Pedro nach Buenos Aires, wo es zur oben geschilderten Begegnung kam. Julio de Caro kannte die Brüder Eustaquio und Felix aus seiner Zeit in Montevideo, und diese empfahlen ihm den jungen, begabten Bandoneonspieler.


Pedro Maffia verliess de Caro 1926 und gründete sein eigenes Sexteto (mit Elvino Vardaro); im Ensemble der Gebrüder de Caro wurde Laurenz der erste Bandoneonist.

Laurenz blieb bis 1934 bei de Caro, um dann sein eigenes Orchester zu gründen. Von de Caro nahm er den begabten Bandoneonisten Armando Blasco mit (der später auch bei Federico und Juan Polito spielte), in seinem Orchester sass kurze Zeit Osvaldo Pugliese (von 1934-35) am Klavier.

Die Gründung von Laurenz‘ Orchester fiel in die Zeit der grossen Erfolge von Juan d‘Arienzo, und vermutlich sahen die Oberen der Schallplatten-Firmen nicht viel Aussicht auf hohe Umsätze bei diesem Orchester mit seinem recht komplexen Stil. Erst 1937 bekam er einen Plattenvertrag bei RCA Victor. Jedoch konnte er 1937 gerade mal vier Aufnahmen machen (eine Ranchera, eine Milonga und zwei Tangos), im folgenden Jahr nur eine Schallplatte mit zwei Tangos.


1937 war Juan d’Arienzo auf der Höhe seines Ruhmes und beherrschte das Feld. Di Sarli war immer noch ausserhalb von Buenos Aires im selbstgewählten Exil, weder Troilo noch Pugliese waren auf der Tangobühne erschienen. Das war der Zeitpunkt, als Pedro Laurenz im September 1937 seine erste Aufnahme veröffentlichte. Diese Aufnahme war Arrabal. Sie war so einfallsreich und originell und zeigte dem Tango eine neue kreative Richtung.

Wie der Zufall so will, war D’Arienzo nur zwei Tage vorher im Aufnahmestudio. Er nahm El caburé und Milonga vieja Milonga auf. Lasst uns die beiden Tangos vergleichen. Zuerst kommt D’Arienzos El caburé.

Wenn wir es mit der Aufnahme von Laurenz vergleichen, so ist Laurenz‘ Arrabal der klare Gewinner. Es fängt mit einer recht wilden Bandoneon-Eröffnung an, es gibt viele Synkopierungen, und der Puls des Stückes ändert sich wiederholt, das Stück sprüht vor Kreativität – eine richtige Herausforderung für Tänzer. Und Laurenz zeigt sein grosses Können auf dem Bandoneon. Auch wenn die Platte nicht der grosse Verkaufserfolg wurde, so soll sie laut Lavocah doch wie eine Granate in der Musikwelt von Buenos Aires eingeschlagen haben.

Am gleichen Tag nahm er für die Rückseite Abandono auf, eine Komposition seines Freundes Pedro Maffia. Auch hier viele Synkopierungen, auch hier kein ständiger Rhythmus, der Puls des Stückes ändert sich fortlaufend. Am Ende hören wir (ab ca. Minute 2) eine schnelle Variation auf dem Bandoneon, die das ganze grossartige Können von Laurenz zeigt und die schwer zu beschreiben ist. Die Variation kommt daher wie ein Springbrunnen, als wäre in dem Mann viel Musik, die aus ihm herausquellen will.

Wenn wir eine Top-10-Liste der Tango-Variaciones aufstellen würden (mit Variationen meinen wir die Kadenz gegen Ende des Stückes), nähme Laurenz sicher mehr als die Hälfte der Plätze ein.

Julio de Caro mit seiner Strohgeige und Pedro Laurenz

Hier eine kleine Betrachtung zum Bandoneon-Spiel: Die in Argentinien gespielten Bandoneons sind keine gleichtönigen, sondern wechseltönige, d.h. dass beim Einatmen ein anderer Ton als beim Ausatmen erzeugt wird. Die meisten Bandoneonisten bevorzugen das Spiel, wenn das Bandoneon auseinandergeht und die Schwerkraft dabei hilft. In den musikalischen Pausen schieben sie das Bandoneon zusammen, es macht wie eine Atempause. Das kann man zum Beispiel beim Bandoneonspiel in d‘Arienzos Orchester hören. Will man das Bandoneon in beide Richtungen spielen, so muss der Spieler für die Gegenrichtung ein anderes Griffsystem beherrschen. Laurenz meistert das Spiel in beide Richtungen – seine unterbrechungslosen Variaciones sind zu lang, als dass man sie nur in eine Richtung spielen könnte. Dieses Spiel ‘ohne Atempause‘ gibt seinem Spiel etwas Erregend-Spannendes.


Machen wir eine weitere musikalische Gegenüberstellung, um in den neuartigen Stil von Laurenz‘ Orchester hineinzuhören: Vieja amiga 1938. 

Die → Version von Canaro zieht ihre Unterscheidbarkeit aus tango-unüblichen Klängen (hohe Violine bei 1.22 und danach gedämpfte Trompete, Klarinette bei 2.20), hat aber von Beginn an etwas marschähnliches an sich. Laurenz' Version von → Vieja amiga ist deutlich lebendiger und beginnt mit einer Klaviermelodie, am Klavier sitzt der später gefeierte Osvaldo Pugliese. Beide Aufnahmen wurden im gleichen Jahr, 1938, aufgenommen, aber Laurenz' Version kommt deutlich innovativer daher. Der Unterschied ist deutlich hörbar – der Tango entwickelte sich in verschiedene Richtungen.

Hier eine Aufnahme von 1940 No me extraña (Es überrascht mich nicht) mit dem damaligen Stammsänger Juan Carlos Casas: ein sehr dynamisches Stück, wieder mit grossem Ideenreichtum und einfallsreicher Variación. Auch hier ist die Musik wieder schwer zu beschreiben, Michael Lavocah benutzt in seinem Buch ›Tango Stories‹ das Bild eines Zuges, der nur knapp auf den Schienen bleibt. Eine kleine Anmerkung: die meisten Überspielungen auf CD, auch die von Euro Records, haben den Mangel, dass bei 0.10 und 0.25 kurze Stellen fehlen und die Musik an diesen Stellen abgehackt wirkt. (Eine der wenigen CDs ohne diesen kurzen Unterbrüche soll 'Firuletear de Bandoneon' sein.)

1941 kam der Sänger Martin Podestá zu Laurenz‘ Orchester. Manche werden einwenden: Heisst der Sänger nicht richtig Alberto? Der genannte Name ist richtig, er heisst wirklich Martin, und er hat hörbar eine andere Stimme als sein bekannterer Namensvetter. (Der Name dieses Sängers war auch ein Künstlername, seine Karriere als Sänger beendete er bereits mit 33 Jahren). → La vida es una milonga mit Martin Podestá. Leider gibt es von diesem Sänger nur recht wenige Aufnahmen.


Ich bin kein grosser Freund von Kategorisierungen, die vor allem in der Musik sehr schnell an ihre Grenzen stossen. Ich finde auch die Einteilung in Strassen-Tango (Juan d'Arienzo mit seinen eher einfachen Arrangements wird dazu gezählt) und in kultiviert-verfeinert nicht wirklich hilfreich. Ein guter Tango-DJ wird in seiner Auswahl eine gute Balance finden zwischen Tangos picados, rhythmischen Tangos (Biagi, d'Arienzo u.a.) und den melodiösen, weicheren Tangos. Laurenz wird zu den sogenannten Evolutionisten gezählt. Aber für uns Tänzer ist vor allem wichtig, dass er melodiöser arrangierte. 

Anfangs 1943 engagierte Laurenz den bekannten Sänger Alberto Podestá für sein Orchester. Alberto Podestá erzählte in einem späteren Interview: »Eine der grössten Persönlichkeiten, die ich in der Welt des Tango traf, war Pedro Laurenz. Es bedeutete eine weitere Stufe in meiner Karriere. .. Man kann sagen, dass er einer der elegantesten Orchesterleiter in jener Zeit war. Als er mich zu sich rief, um bei ihm zu singen, fragte ich ihn, nachdem wir uns geeinigt hatten, wo die Orchestermitglieder ihre Anzüge schneidern liessen. Als er sagte, bei Spiro & Demetrio, bin ich fast ohnmächtig geworden, denn das war einer der teuersten Schneider in Buenos Aires. Bei Laurenz mussten alle gleich gekleidet erscheinen, auch Hemden, Kravatten, Socken und Taschentuch. Ich verbrachte eine wundervolle Zeit bei ihm, und das Publikum identifizierte mich mit der Aufnahme Alma de bohemio ...« (Deutsche Übersetzung nach der Biographie bei Todotango)

Schauen wir → Alma de bohemio etwas genauer an: auch dieses Stück hat keinen stetigen Grundbeat, der Puls wird langsamer und wieder schneller, der Rhythmus wird gezogen. Wenn Podestá an der üblichen Stelle nach etwa einer Minute einsetzt, fliegt er mit seiner Stimme sofort los und segelt mit einer Note, die er mehr als 10 Sekunden hält, davon. Das Orchester begleitet ihn kurz wie die Bodenmannschaft eines Segelfliegers, um nach wenigen Sekunden stumm am Boden zurückzubleiben, während er in die Lüfte weitergleitet. Wenn wir auf alle Feinheiten und Finessen in diesem Stück eingehen würden, müssten wir recht lange darüber sprechen. 

Laurenz war seiner Zeit voraus. Bis ein anderes Orchester etwas Vergleichbares wagte, mussten einige Jahre vergehen.

Andere schöne Titel mit A. Podesta waren Veinticuatro de agosto, Nunca tuvo novio, Garua (Nieselregen) und der Vals mit dem kurzen Titel Paisaje (Landschaft). Alle diese Lieder kommen in ihrer Art recht weich und lyrisch daher.

Paisaje 1943 mit Alberto Podestá: In dieser Musik liegt ein Gefühl von Herbst. Vordergründig geht es um eine Herbstmalerei, aber bald merken wir, dass es auch um Herzschmerz geht. Der Mann erzählt, dass er ein Porträt seiner Geliebten an der Wand hatte. Als sie sich trennten, hat er es runter genommen. Irgendwann später kaufte er sich ein Landschaftsbild (Paisaje - Landschaft) und hängt es an die gegenüberliegende Wand. Die Perspektive wechselt, auf einmal merkt man, dass er zu diesem Bild spricht, und man spürt, dass das Gefühl des Herbstes im Bild etwas mit seiner Verflossenen zu tun hat.  (Die Lyrik wurde von Homero Manzi geschrieben.)

‍    Ausschnitte aus dem Text, als er zum Bild spricht: »Beklemmung spürte ich bei deinem verschleierten Ton, deinem Dunkel und Grau / Dein Himmel, verhüllt von Wolken und Dunst // Wer mag es gewesen sein, der / des Kiefernwaldes Herbstruhe auf die Leinwand malte? / Dies dunkle Licht des Vergessens, das verlorene Ende / und der Weg, verwundet von Blau und Einsamkeit...«
    Selbst in der deutschen Übersetzung spürt man noch die Kraft der poetischen Bilder, die in jeder Übersetzung etwas verloren gehen. (Dank an tangoandchaos.org für die Besprechung, dt. Übersetzung MKI)

Nach so viel Lob wirst Du wahrscheinlich denken, dass die Karriere von Laurenz ein Nacheinander von Erfolgen gewesen sein muss. Seine Discographie zeigt was anderes: sein Erfolg setzte erst 1940 ein, und bis 1944 spielte er insgesamt gerade mal 56 Aufnahmen ein. Laurenz war vor allem musikalisch orientiert. Er war ein Innovator, aber im Vergleich zu manch anderem Orchester kommerziell weniger erfolgreich. Das liegt auch daran, dass die Schallplattenfirmen RCA Victor und Odeon ihn kurz hielten – es ist bedauerlich, dass nur ein Teil seines Repertoires den Weg auf Platte fand.

Wenn man bedenkt, wie viele Stücke ein Orquesta tipica in seinem Repertoire hat (wir gehen von etwa 75-150 Stücken aus), dann können wir erahnen, wie viele musikalische Reichtümer nicht aufgenommen wurden und verloren gingen. Der Zeitzeuge Horacio Ferrer berichtet, dass Troilos Orchester auf ein Repertoire von mindestens 120 Stücken zurückgreifen und sofort spielen konnte – wir liegen mit unserer Schätzung also ziemlich richtig. Welche musikalischen Perlen nicht aufgenommen wurden und wie ein verklingender Ton in der Zeit verloren sind – wir können es nur ahnen. Bei Laurenz kommt leider noch hinzu, dass nicht alle seine Schellack-Aufnahmen den Weg auf CD fanden... Die Tangoliebhaber mussten bis 2020 warten, bis TangoTimesTravel alle Aufnahmen von Laurenz herausbrachte. Diese Überspielungen sind von sehr guter Qualität, und viele Liebhaber wird es freuen, dass auch der Titel No me extrãna ohne verschluckte Töne zu hören ist. 

Ich habe in der Aufnahmeliste des äusserst geschäftstüchtigen Francisco Canaro nachgeschaut: er jagte in der Zeit von 1940 bis Ende 1943 211 Aufnahmen raus, bis Ende 1944 waren es 247. Auch wenn ein Teil davon Polcas, Corridos Pasodobles, Mazurkas, Marchas und Foxtrots waren, so ist sein Ausstoss an Tangos und Milongas ein Mehrfaches. Er war sicher geschäftstüchtiger, aber (nicht nur) für mich ist er musikalisch definitiv deutlich weniger interessant.

Laurenz war der Komponist verschiedener Titel: Mala junta (zusammen mit Julio de Caro); Orgullo criollo; Milonga de mis amores; Vieja amiga; De puro guapo und einige andere. Sein Lieblingstitel war Amurado, den er insgesamt fünfmal aufnahm. (Diesen Titel habe ich ausführlich in einer meiner Radioproduktionen besprochen – ich hoffe, ein aktualisiertes Audio auf diese Webseite setzen zu können.) Seinen Mitspielern gab er genügend Platz für ihre Kreativität. Sein Bassist steuerte die Komposition No me extraña bei (1940 von Laurenz aufgenommen). Einer seiner Violinisten komponierte Tu confidencia (das bei Donato ein grosser Hit wurde) und Si no me engaña el corazón (Rodriguez und Fresedo). Laurenz konnte diese beiden erfolgreichen Titel leider nicht aufnehmen – ein weiter Hinweis darauf, dass Laurenz von den Oberen der Plattenfirma kurz gehalten wurde.

Die Musik von Laurenz ist überraschend komplex, aber im Gegensatz zu de Caro brachte er diese Komplexität erfolgreich zu den Tänzern. Ein Autor beschreibt ihn als Innovator, als Jimi Hendrix des Tango. Pedro Laurenz beeinflusste zwei wichtige Orchester, die nach ihm die Tango-Bühne betraten: Anibal Troilo und Osvaldo Pugliese. Und Michael Lavocah legt uns nahe, dass alle Titel von Laurenz es wert sind angehört zu werden.

Zum Repertoire: Beim Blick in seine Aufnahmeliste sehen wir sofort, dass hier ein reines Tango-Orchester spielt – ‘otros ritmos‘ wie Pasodoble, Rumba, Son cubano, Foxtrot und anderes (siehe Canaro, Fresedo und Rodriguez) gibt es bei Laurenz nicht. 

Von Juli 1937 bis zum April 1943 spielte Laurenz bei RCA Victor gerade mal 30 Aufnahmen ein – wahrlich nicht viel. War das der Grund, warum er zu Odeon wechselte? 

Im Juli 1943 erscheint seine erste Platte bei Odeon mit dem bereits besprochenen Alma de bohemio, und Patria mia auf der anderen Seite. Insgesamt gibt es 1943 bei Odeon 10 Aufnahmen, 1944 sind es 16 Titel. Und dann auf einmal eine grosse, vermutlich erzwungene Aufnahmepause, über deren Hintergründe wir nicht wirklich was wissen. Im September 1946 fanden La Beba und Piedad den Weg auf Platte. Leider erfuhr Laurenz bei Odeon auch nicht die Unterstützung, die diesem musikalisch höchst interessanten Orchester zugestanden hätte. Auch bei Odeon zählte Kommerz mehr als die Förderung eines der faszinierendsten Orchester jener Zeit. Francisco Canaro warf 1946 im Vergleich 24 Aufnahmen auf den Markt, die musikalisch nicht sonderlich hochstehend waren.

Laurenz wurde bei Odeon leider auch nicht glücklich. Nach den beiden Titeln 1946 gibt es im Januar 1947 die beiden Abschiedsaufnahmen dieses grossartigen Bandoneonisten bei Odeon: sein Lieblingstitel Amurado und Mala junta.

Es folgt eine sehr lange Aufnahmepause bis Mitte 1952, als er bei Pathé bis 1953 weitere acht Aufnahmen auf Platte veröffentlichen darf (später vom Label Pampa herausgegeben).

1966 machte Laurenz mit dem Quinteto Pedro Laurenz beim Schallplattenlabel Microfón weitere 12 Instrumentalaufnahmen. Die letzte Einspielung war sein Lieblingstitel Amurado.

Für manche vielleicht nebensächlich, aber trotzdem interessant: laut den Release Notes von TangoTimeTravel wechselte Laurenz, als er bei RCA war, 1938 die Stimmung seines Orchesters auf 440 Hz, die erste Aufnahme in der höheren Stimmung war Vieja amiga im Mai. Als Laurenz 1943 zu Odeon wechselte, war dort die Instrumentenstimmung bei den bisherigen 435Hz. Was bedeutete, dass im Orchester von Laurenz die Bandoneons wieder nach unten gestimmt werden mussten – was noch heikler ist als das Hochstimmen. Bei einem Bandoneon Rheinischer Lage muss der Stimmer beim Hochstimmen 280 Zungen (138 × 2 + 4) vorsichtig abfeilen, beim Nach-unten-Stimmen ist die Arbeit noch heikler. Wir dürfen annehmen, dass sich die Musiker ein zweites Bandoneon anschafften. 

Bei RCA Victor lag es an den einzelnen Orchestern, wann sie auf die höhere Stimmung von 440Hz wechselten. Das Orchester von Osvaldo Fresedo (siehe dort) war eines der frühesten, die anderen Orchester bei RCA wechselten bis 1939. Bei Odeon war es anders, der Wechsel war kompakter und in kürzerer Zeit. Ab Dezember 1943 wechselten alle Orchester, die bei Odeon unter Vertrag standen, auf die höhere Stimmung von 440Hz. Die ersten Aufnahmen in der neuen Stimmung waren bei Laurenz Maldonado und Todo. Im Dezember machten Caló und Canaro, später Demare und Pugliese ihre Aufnahmen in der höheren Stimmung.

Die Aufnahmestudios von Odeon waren ausgestattet mit Tontechnik aus Deutschland, sie hatten die Neumann/Telefunken-Kondensator-Mikrofone, die meiner Meinung eine leicht bessere Höhenwiedergabe haben als die RCA-Bändchen-Mikrofone. Die Schellackplatten von Odeon hätten laut TangoTimeTravel den Vorteil von weniger Verzerrungen als die von RCA, jedoch würden viele Aufnahmen von Odeon Tonhöhenabweichungen aufweisen, die es bei RCA seltener gibt. Aber das sind Feinheiten, die bei den oft grauslichen Überspielungen auf CD kaum zu erkennen und nur bei gut erhaltenen Schellackplatte bzw. guten Transfers zu hören sind.

Pedro Laurenz mit Bandoneon

   Bailemos Tango ! 


          Tango-DJ Michael KI                                      letzte Nachführung 04/2024


        


        Quellen (Auswahl): siehe Einführung zu den Beiträgen

        zusätzlich:  https://www.todotango.com/english/artists/biography/43/Pedro-Laurenz/

                       – https://es.wikipedia.org/wiki/Pedro_Laurenz

                         – https://tangosalbardo.blogspot.com/2016/07/amurado.html#comment-form

        Discographie: https://www.el-recodo.com/music?lang=de&S=Pedro+LAURENZ